Der Klassiker in seiner 123. Auflage – der traditionsreichste Marathon der Welt,und für mich der vorletzte der 6-Star – Serie 🙂
Das Abenteuer Boston beginnt schon lange vor dem Marathon, Stichwort Qualifikation. War für mich in meiner Altersklasse nicht erreichbar (obwohl: für 2020 habe ich sie – aufgrund des AK-Sprunges) – also blieb nur die Option (Thank Heavens) einer organisierten Laufreise mit einem garantierten Startplatz. Und das kostet ordentlich Geld. Aber egal, andere geben das für eine VIP-Karte eines Fußballmatches oder eines angesagten Konzertes aus. Also Anmeldung im letzten Sommer, verbunden mit einer selbstorganisierten Verlängerungswoche in New England, gemeinsam mit Erika als Schlachtenbummlerin 🙂 .
Die Wettervorhersage verheißt nichts Gutes – der einzige definitive Regentag ist in diesem Zeitraum der Marathontag (Patriots‘ Day – der dritte Montag im April, ein Feiertag in Massachusetts). Der Veranstalter warnt in seinem Teilnehmer-Newsletter sogar vor ähnlichen Verhältnissen wie 2018 (starker Regen, Wind und Temperaturen knapp über 0°). Im Gepäck also Laufzeugs für alle Wetterverhältnisse 🙁 .
Anreise ohne Probleme, Unterbringung im Sheraton in der Nähe des Zielgeländes, die Marathonmesse mit Startnummernausgabe im Conventional Center mit Eingang direkt im Hotel.
Boston ist im Marathonfieber – Blumenschmuck, Plakate, „Runners Welcome“ überall, sportliche Typen beim Sightseeing, in den Geschäften und Lokalen. Generell ist die Veranstaltung perfekt organisiert. Kein Gedränge trotz umfassenden Sicherheitskontrollen auch aufgrund der amerikanischen Disziplin. Auf der Messe werden die Startnummern in 600er-Blöcken ausgegeben – ohne große Wartezeiten.
Am Marathontag Treffpunkt um 7:45 in der Hotellobby und gemeinsamer Regen-Spaziergang zum Start.Shuttle-Bereich. Meine Gewandentscheidung (aufgrund der erwarteten Temperaturen und der Empfehlung unseres sportlichen Begleitteams, trotz Regenvorhersage): kurz/kurz 😉 . Über dem Laufdress eine dickere Jacke (bleibt als Spende im Startbereich) und Regenschutz. Für den Transport zum Start stehen ausreichend Schulbusse zur Verfügung. Der Bereich ist großräumig abgesperrt – bei den Sicherheitskontrollen werden nur Läufer durchgelassen. Die Busfahrt sehr angenehm mit netten Gesprächen mit Mitläufern (danke, Dagmar, dass du meine Sitznachbarin warst 🙂 ).
Knapp vor dem Startort Hopkinton hört es auf zu regnen.
Die Sammelstelle vor dem eigentlichen Start – das übliche: unzählige Dixies, große Aufenthaltszelte, Wasser, Gatorade und Gels. Der Boden matschig (es hat doch viel geregnet). Der Start erfolgt in vier Wellen, unterteilt in Corrals. Ohne Qualifikationszeit bist du automatisch in Welle 4, bei mir im Corral 6 von 8. Die Zuordnung zu den Startblöcken erfolgt schon in der Sammelstelle am Beginn des Weges zum Start (ca. 0,75 Meilen Spaziergang). Aufgrund der Wettersituation wurde auf 25′-Intervall zwischen den Wellen 3 und 4 verzichtet, wir starten also unmittelbar nach Welle 3. Premiere für mich: fliegender Start bei einem Marathon. Wir spazieren zum Start, plötzlich beginnt die Menge zu laufen und wir überqueren die Startlinie um ca. 11:08.
Meine Erwartungen: Der Start liegt doch viel höher als das Ziel, also müsste ich durch den hohen Downhillanteil schneller sein als üblich. Das ist ein Irrtum. Es geht laufend auf und ab, die Steigungen können durch die Bergabstrecken nicht kompensiert werden. Hätte ich wissen müssen – sonst gäbe es regelmäßig (nicht anerkannte) Rekorde in Boston. Andererseits erwarte ich mir keine berauschende Platzierung, da aufgrund der Qualifikation der Großteil der Athleten doch ein höheres Niveau haben wird als bei anderen Groß-Marathons – und damit sollte ich Recht behalten.
Der Lauf selbst ist geprägt durch eine Stimmung, die ich so noch nicht erlebt habe. In jedem Dorf – und davon gibt es viele – war die Strecke gesäumt von Zuschauermassen, die sich die Seele aus dem Leib schrieen – Zieleinlaufstimmung auf der gesamten Strecke 🙂 .Eine Steigerung dazu waren jedoch einzelne Hot-Spots, wie der ‚Wellesley College Stream Tunnel‘ – hunderte jubelnde junge Mädels mit ‚Give me a kiss‘-Plakaten, eine hübscher als die andere. Nur, wer bleibt stehen und welche Dame küsst man? Die Versuchung ist aber schon sehr groß 😉 . Also bleibt es beim Abklatschen 🙂 . Übrigens habe ich noch nie unterwegs so viele Hände (nicht nur von Kindern) abgeklatscht.
Dann der ‚Heartbreak-Hill‘ – 5 Meilen vor dem Ziel die Schlüsselstelle mit dem stärksten Anstieg. Man fühlt sich, angepeitscht durch jubelnde Zuschauermassen, wie ein Radrennfahrer der Tour de France bei einer Bergwertung. Ich laufe durch (andere spazieren gemütlich) und halte Ausschau nach unserer Fan-Gruppe. Endlich, schon nach dem ‚Gipfel‘, die rot-weiß-roten Fahnen. Erika freut sich, ich freue mich und hole mir Energie bei einer innigen Umarmung und einem intensiven Kuss.
Ich spüre die Hitze, die Luftfeuchtigkeit und die doch unterschätzte Härte des Laufes (ja, kein Regen bisher, großteils sogar Sonnenschein). Den Downhill nach Boston gehe ich gemütlich an. Dann Regen während der letzten 3 Meilen – angenehm kühl.
Zieleinlauf, bejubelt von unzähligen Zuschauern – ich fühle mich wie ein Sieger 🙂 🙂 .
Aber dann: das nasse Shirt, der eisige Wind, Regen – auch die Alufolie wärmt nur rudimentär. Erika ist nicht am Treffpunkt (ich war schneller als die Straßenbahn) – ich kann nicht warten, bibbere vor Kälte und gehe ins Hotel. Dort wartet ein heißes Bad – Erika kommt nach und beglückt mich mit einem erfrischenden Marathon-Bier 🙂 .
15.4.2019
Distanz: 42,2 km
Zeit: 4:24:46
gesamt: 20762 von 27355
Männer: 11988 von 15009
AK: 749 von 1117