Dieser besondere Marathon zählt zu den spektakulärsten und herausforderndsten Trailrennen in Österreich und findet heuer zum sechsten Mal in einer traumhaften hochalpinen Landschaft statt.
Vorgeplänkel
Vor zwei Monaten bin ich auf die Webseite des Laufes gestoßen und habe mich spontan entschlossen, heuer daran teilzunehmen. Ausschlaggebend dazu waren auch die Worte familiär, spektakulär, landschaftlich unübertroffen.
Und natürlich ist es ein sehr guter Einstieg in die Marathonwelt nach meiner Operation im April. In den letzten Wochen gab es mehrere unterschiedliche Aussagen zu diesem Lauf: Valentin: „Es ist ein sehr leichter Lauf, problemlos, aber sehr schön“ und Hannes: „Brutal felsig und alles andere als leicht. Gute Schuhe sind eine Grundvoraussetzung“
Was ist richtig? Dementsprechend neugierig und auch etwas nervös war ich schon bei der Anreise. Das Quartier Haus Margit in Ramsau hat super gut gepasst – es war nur wenige Minuten vom Start-Ziel Bereich des Torlaufs entfernt.
Ein großes Fragezeichen für diesen Trail ist immer das Wetter. Aufgrund der Vorhersagen zwischen hoher Regenwahrscheinlichkeit, wenig Regenwahrscheinlichkeit und Sonne war es nicht klar, auf was wir uns vorbereiten sollten. Der Vortag war eher kühl, aber doch bei schönem sonnigen Wetter, deswegen meine Entscheidung: Ich starte mit einem leichten Pullover, weil in der Früh ist es kalt und am Berg in bis zu 2500 m Seehöhe ist es sicherlich auch nicht warm.
Den Vortag habe ich bei einer angenehmen Wanderung entlang eines Großteils der Halbmarathonstrecke verbracht und unterwegs meine Startunterlagen abgeholt. Diese landschaftlich sehr schönen, bis auf den letzten Abschnitt eher flachen 18 km sind mir sehr leicht und angenehm zu laufen in Erinnerung.
Abschnitt 1: lockeres Einlaufen
Vor dem Start: Ich treffe einen Vereinskollegen „Was, du bist auch da?“, Der Jungspund nimmt mir dann doch fast 3 Stunden ab, Die Temperatur ist wärmer als erwartet, die Sonne blinzelt durch – der Pullover wird im Rucksack verstaut. Alle Läufer bekommen einen GPS-Tracker und los geht’s. Der erste Teil der Strecke führt durch angenehm verlaufende Wald- und Wanderwege rund um den Sattelberg bis zum tiefsten Punkt der Runde bei der Überquerung der Landesstraße. Diese ersten 7 km sind sehr einfach zu laufen, wunderschöne Trails ohne große Schwierigkeiten.
Abschnitt 2: Silberkar
dann geht es weiter durch die Silberkarklamm bis zur Silberkaralm.
Der Weg durch die wunderschöne Klamm besteht im wesentlichen aus Leitern und Brücken, begleitet von tosenden Wasserfällen und entsprechend viel Wasser. Noch ungefähr eineinhalb Kilometer bis zur ersten Labstation bei der Silberkarhütte.
Und jetzt geht es erst richtig los!
Abschnitt 3: Hochalpin zum Guttenberghaus
Ab der Silberkarhütte geht es sehr steil bergauf bis zu einem Kreuzungspunkt mit mehreren Wanderwegen auf ungefähr 1900 m, dann quer hin, hochalpin mit sehr steinigen schottrigen Wegen, bis zur Feister Scharte. Von dort geht es sehr steil und technisch schwierig – auf einem Abstieg, der zum Beispiel von Outdooractive nicht empfohlen wird – hinunter zum Guttenberghaus. Irreführend war in diesem Abschnitt, dass oft die roten Pfeile uns genau entgegen gekommen sind, also in die falsche Richtung gezeigt haben. In diesem Abschnitt hat mich ein weiterer U70-Teilnehmer begleitet, der gesagt hat „Passt schon, man sieht ja das Guttenberg Haus und dort müssen wir hin“. Ich war mir jedenfalls nicht sicher, ob wir irgendwie diesen Felskopf umrunden und von einer anderen Seite herunterkommen müssten. Jedenfalls wurde das Guttenberg Haus erreicht und damit die Labestation Nummer zwei.
Generell ist zu den Labestationen zu sagen, dass die Betreiber sehr nett, sehr freundlich, sehr entgegenkommend sind und es bei jeder Station Spaß gemacht hat, etwas zu trinken, eine Kleinigkeit zu essen und dann einfach weiterzulaufen.
Abschnitt 4: Technical Downhill durch das Edelgrieß
Hochalpin geht es weiter, nicht so steil aber doch ziemlich durchgehend bergauf, über die Gruberscharte bis zum höchsten Punkt der Tour auf der Edelgrießhöhe unter dem großen Koppenkarstein mit 2863 m. Wir waren ungefähr auf 2550 m, dem höchsten Punkt der Strecke. Weiterhin wunderschöne alpines Panorama, bezaubernd, felsig, schottrig. Auf diesem Abschnitt begegneten wir einigen Kletterern, die die zahlreichen Klettersteige genossen haben, mit den entsprechenden Ausrüstungen. Naja, für die waren wir mit unseren kurz/kurz-Gwandln doch eher die Außerirdischen.
Jetzt kommt der schwierigste Teil der Strecke, der Abstieg durchs Edelgrieß. Zuerst Schroffen, aber nicht große schöne Steine, die leicht laufbar sind, sondern eher kleine, die zum Teil weggerollt, weggekippt sind, was diese Passage doch sehr schwierig machte. Und natürlich – davor waren wir gewarnt – Steinschlag durch losgetretene Felsbrocken (ein kopfgroßer Brocken hat mich nur knapp verfehlt). In diesem Bereich sorgten erfahrene Bergretter für einen halbwegs sicheren Verlauf.
In weiterer Folge sehr steile, klettersteig-ähnliche Passagen, zum Teil auch wirkliche Kletterabschnitte mit Handführungen und montierten Steighilfen, auf alle Fälle technisch sehr anspruchsvoll.
Nach diesen Kletterpassageteilen sehr rutschige, schottrige, sandige Wege – sehr steil und daher nicht leicht zu laufen. Knapp vor der Türlwandhütte, Labestation Nummer 3, endlich etwas Entspannung, ein angenehmer Almweg, zum Teil wieder leicht bewaldet, den Hang entlang.
Die anspruchsvollsten Teile der Strecke waren damit überwunden. Jetzt war eine kleine Pause notwendig: Schuhe ausziehen, die Steine entfernen die sich bei den Downhills angesammelt haben, meine Muskeln mit Magnesium versorgen, etwas trinken – das hat doch 5 bis 6 Minuten in Anspruch genommen.
Der U70-Kollege der eigentlich hinter mir war, hat mich genau an dieser Stelle überholt und ward nicht mehr gesehen.
Mir kommen das erste mal Zweifel, ob die Zielzeit von 10 Stunden zu schaffen sein wird – ich habe doch für die ersten 22 km ziemlich genau 6 Stunden benötigt.
Abschnitt 5: Panorama unter dem Dachstein
Ab der Türlwandhütte geht es dann wieder bergauf, eher leicht aber doch kontinuierlich bis zur Dachstein Südwand-hütte mit einem wunderschönen Ausblick auf die Südseite des Dachsteinmassivs Dann endlich leicht bergab, aber immer noch auf eher technischen Trails, wurzelige Waldwege, nicht mehr so schottrig hinunter zur Maralm und dann wieder leicht bergauf zur Walcheralm mit der nächsten Labestation.
Endlich bergab – auf breiten, leichten Wegen über die Brandalm hinunter zur Hauptstraße in der Ramsau. Ideal zum längst fälligen „Kilometer machen“ 🙂
Abschnitt 6: eher flach Richtung Ziel
Ab hier kenne ich den Weg ins Ziel – den bin ich am Vortag bereits gewandert. Eine letzte Labestation beim Schwaigerhof (leider ohne Cola – war schon aus) auf dem Weg parallel parallel zur Ramsauer Landesstraße. Nach der Unterquerung der Straße geht es eher flach und leicht zu laufen 6 km zurück bis in die Nähe des Ortes Ramsau. Aber irgendwie habe ich nicht mehr so die rechte Lust, jede kleine Steigung wird gegangen, die Muskeln haben doch schon einiges an Leistung erbringen müssen.
Anstatt den direkten Weg gibt es noch einen Umweg mit lästigen Anstiegen über den Kulmberg mit einigen kleinen Schleifen vorbei an der Schisprungschanze der Ramsau und dann ins Ziel.
Zieleinlauf beim ersten Regentropfen – bis dorthin war das Wetter absolut o. k., es ist schon im Wald ein bisschen finster geworden. jedenfalls bin ich noch trocken ins Zielgekommen und wurde dort sehr freundlich, sehr nett und sehr entgegenkommend begrüßt. Zielzeit (nicht einmal so knapp) erreicht, nicht letzter – zu meiner Überraschung wurde ich dritter in meiner Altersgruppe und habe ein schönes Souvenir überreicht bekommen. Ich ernte Bewunderung, diese Tortur in meinem Alter doch sehr gut bewältigt zu haben – ich war der älteste Teilnehmer, was jedoch von niemandem erwähnt wurde.
Das Finisher-Bier, ein Dachsteiner Gletscher-Bier, hat hervorragend gemundet. Enttäuschend war aber der Versuch, den im Preis inbegriffenen Gutschein für ein Essen im Stadion-Lokal einzulösen – die Dame dort hat mir, eher ungehalten, mitgeteilt, es gibt nichts mehr, alles ist aus, sie kann mir einen Schinken-Käse-Toast anbieten. Leider etwas zornig und grantig bin ich ins Quartier, habe mich umgezogen, geduscht und in einem anderen Lokal ein wunderbares Essen konsumiert.
Fazit: Spektakulär, anspruchsvoll, familiär, landschaftlich unübertroffen – danke an die Veranstalter für dieses tolle Erlebnis. Leider gibt es kein einziges persönliches Erinnerungsfoto – die Fotografen waren scheinbar nur in sehr begrenzten Zeitfenstern aktiv. Ich denke, auch die langsameren Läuferinnen und Läufer hätten eine entsprechende Wertschätzung verdient!
3.9.2022
Distanz | 42,2 km |
Höhenmeter | 2400 |
Zeit | 9:20:22 |
gesamt | 104 von 114 |
Männer | 82 von 88 |
AK | 3 von 4 |